Vorsichtigkeit

Vorrauschau, voraussehend – wissend und ahnend, was die Zukunft bringt? Nein, Weitsicht hat nichts mit Deuterei gemein. Weitsichtiges Handeln ist die Summe alle gegenwärtigen, umsichtiger Handlungen. Durch umsichtiges Handeln erzeugt man eine Gegenwart, die gute Voraussetzungen für eine gute Zukunft birgt.

Jeder Mensch verändert durch sein Handeln seine Umwelt – im Großen wie im individuell Kleinen. „Man schlachtet nicht die Kuh, die man melkt“ – mahnt schon ein Sprichwort vor der Gier nach dem raschen und großen Gewinn. Wer rücksichtslos alles aus seiner Umgebung an sich reißt, ohne die Folgen für das soziale und ökologische Gleichgewicht zu bedenken, erzeugt eine Spannung, die sich unweigerlich gegen ihn selbst entlädt. Einige Könige und Zaren mussten dies in der Vergangenheit bitter erfahren. Die Ignoranz der Despoten gegenüber der Armut und der Not führte selbst das einst so zarentreue Russland in eine blutige Revolution. Krieg und Elend als Summe ich-bezogener, rücksichtsloser Handlungen. Auch die Moderne bietet genug bittere Beispiele:

  • Bau von Atommeilern in Erbeben gefährdeten Gebieten.
  • Rohdung der Primärwelder im Amazonas und im Indonesien.
  • Umleitung von Wasserströmen (Aralsee, Jordan).

Gewollt hat dies alles niemand, und geplant auch nicht – aber niemand hat bei der „Schaffung der Umstände“ (Bau eines Öltankers, Betrieb eines Kernkraftwerkes) genug Sorgfalt und Umsicht walten lassen um diese Katastrophen weniger wahrscheinlich werden zu lassen.

Nun mögen Sie sich fragen, was ein einzelner Mensch an diesen Umständen ändern kann. Die Antwort: an diesen Umständen nichts – es sei denn, Sie bauen gerade einen Öltanker. Was die Umstände in Ihrem Wirkungsbereich angeht, SEHR VIEL! Meist ist man sich dieser eigen Macht, die Zukunft zu beeinflussen, gar nicht bewusst. Der Blick für die kleinen Details des Tages, die sich auf morgen und übermorgen auswirken, fehlt – es fehlt die Weitsicht. Diese Weitsicht kann man erlernen, üben und ausüben.

Die freimaurerische Arbeit führt uns zu einem Verständnis dieser Details – innerhalb unserer Gemeinschaft, unserer Gesellschaft und unserer Umwelt. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Arbeit fließt in die Unterstützung der Benachteiligten unserer Gesellschaft ein. Hierbei ist es nicht Ziel, Almosen zu streuen, sondern den Betroffenen eine bessere Zukunft zu ermöglichen – und je mehr Menschen ein besseres „Morgen“ vor Augen haben, desto besser sind die Aussichten unserer Gesellschaft auf eine friedliche Zukunft.

Doch wollen wir hier nicht den Eindruck großer, raumgreifender Gesten erzeugen und einen Trommelwirbel veranstalten – es geht lediglich darum, ein Talent zu schulen, die kleinen Bausteine im ganz persönlichen Leben so umsichtig zu setzen, dass morgen ein Haus daraus entsteht.